Asien,  Indien

Exkurs: Autofahren in Indien

Nachdem wir jetzt insgesamt fast 10.000 km mit dem Auto durch Indien gefahren sind, dachten wir uns, dazu noch ein bisschen was zu erzählen; auch, weil wir in letzter Zeit häufiger nach unserer Erfahrung dazu gefragt wurden. Dabei wollen wir weniger etwas zu den Straßen sagen, die wir in den letzten zwei Tagen im Grenzgebiet zu Myanmar erlebt haben – die waren tatsächlich etwas verrückt und ungewöhnlich für Indien, in dem, aus unserer Sicht, die Straßen ansonsten in überraschend gutem Zustand sind. Wir haben sie trotz der gelegentlichen Schlaglöcher als sehr viel besser empfunden, als die Straßen in den meisten zentralasiatischen Ländern. Teilweise gibt es sogar Autobahn-ähnliche Expressways, auf denen man entspannt schnell fahren kann. Vielmehr wollen wir aber ein bisschen was zum generellen Autofahren in Indien sagen.

Driving in India 1

Denn, JA, Auto fahren in Indien ist speziell (nicht nur aufgrund des hier herrschenden Linksverkehrs). Aus westlicher Perspektive könnte man den Fahrstil hier durchaus als verrückt und gefährlich bezeichnen. Straßenspuren existieren nicht wirklich, es wird immer und überall gehupt, es wird links und rechts überholt, egal ob Gegenverkehr kommt oder nicht. Es scheint das Gesetz des Stärkeren zu gelten. Wenn also ein Bus auf einer zweispurigen Straße überholt und ein Motorrad kommt entgegen, muss das Motorrad (oder Tuk Tuk oder Auto – alles was eben kleiner ist) ausweichen. Und es ist definitiv nicht ungewöhnlich, dass dir auf einer schmalen Straße ein Bus mit 80km/h entgegen kommt. Da mussten dann auch wir immer ausweichen. Wenngleich wir ansonsten den Vorteil hatten, dass unser Van in der „Nahrungskette“ der indischen Verkehrsteilnehmer etwas über den normalen Autos zu stehen schien.

ABER: in der Regel setzt ein Busfahrer ein solches Manöver nur dann an, wenn irgendwo ausreichend Platz für alle ist (und sei es am Straßenrand). Das heißt nicht, dass das nicht auch mal schiefgeht. Indien steht ja nicht ohne Grund auf Platz 1 der Länder mit den meisten Verkehrstoten. Und die vielen Auto-, Bus und LKW-Wracks am Straßenrand zeugen auch davon; gar keine Frage. Gutheißen möchte ich das schon gar nicht. Aber es ist aus unserer Sicht auch nicht das absolute Chaos, was manche Leute beschreiben. Es hat alles seinen eigenen Flow; ein bisschen so, wie ich es bereits aus anderen Staaten Südostasiens kenne. Und dem muss man sich wohl einfach hingeben, denke ich. Das hilft.

Ein paar Grundregeln sollte man aber natürlich beachten:

1. Man muss IMMER super wachsam sein; auf den anderen Verkehr achten, aber auch auf Tiere. Es ist alles andere als ungewöhnlich, dass Hunde, Pferde, Ziegen, Kühe, Menschen etc. auf die Straße laufen. Die Menge an über-/angefahrenen Lebewesen, die wir hier gesehen haben, hat uns wirklich schockiert.

2. Außerdem sollte man NIE nachts fahren. Es gibt sehr viele Leute, die ohne Licht fahren und einem dann durchaus auch mal auf der falschen Straßenseite entgegenkommen. Und auch in diesem Fall sind wieder die vielen Tiere auf der Fahrbahn sehr gefährlich. Nachts fahren sollte man tatsächlich unbedingt vermeiden.

3. Dann sollte man sich ebenfalls daran gewöhnen, seine Hupe zu benutzen. Das ist für die meisten von uns sicher eine Umstellung (und ganz davon abgesehen nervt es ungemein), aber die Hupe gehört hier einfach dazu. Es wird auch erwartet, dass man hupt, um andere Verkehrsteilnehmer vorzuwarnen; beispielsweise wenn man überholt, aber auch in vielen anderen Situationen, von denen wir definitiv nicht alle verstanden haben. Die allermeisten Inder benutzten ihre Rückspiegel nicht. Häufig sind sie sogar eingeklappt, damit sie nicht abgefahren werden. Man muss also hupen, wenn man überholt, damit das Fahrzeug davor vorgewarnt ist und nicht einfach abbiegt, die Spur wechselt oder Ähnliches. Auch bei kurvenreichen Straßen, bspw. in den Bergen, ist das wichtig. Hier gibt es häufig sogar Verkehrsschilder, die einen daran erinnern, die Hupe zu benutzen. Vor jeder Kurve. Denn wenn man das nicht macht, passiert es schnell, dass ein entgegenkommendes Fahrzeug die Kurve schneidet, weil die Insassen davon ausgehen, dass kein Gegenverkehr kommt.

4. Man sollte es einfach hinnehmen, dass der Verkehr oft keinen (für uns greifbaren) logischen Regeln folgt. Eine Beobachtung, die wir z.B. gemacht haben ist, dass indische Autofahrer alles andere als geduldig zu sein scheinen. Wenn mal irgendwo der Verkehr ins stocken gerät – z.B. an einer Baustelle – dann wird man rasch links und rechts über alle Spuren hinweg überholt. Die Leute versuchen, sich in jede noch so kleine Lücke zu quetschen und vorzudrängeln. Da das gleiche auf der Gegenseite passiert, kommt der Verkehr an solchen Engstellen verhältnismäßig häufig völlig zum erliegen. Und dann kann es auch mal eine ganze Weile dauern, bis sich ein solcher Knoten wieder gelöst hat. Dass bei einer geordneten Fahrweise insgesamt alle schneller ans Ziel kommen würden, scheint hier kein allzu weit verbreiteter Glaube zu sein. Aber da sind wir vielleicht auch zu deutsch. 😉

Alles in allem ist es also definitiv ein Erlebnis, in Indien Auto zu fahren. Wenn man vorsichtig ist und nicht mit der Erwartungshaltung hinein geht, dass alles so laufen muss, wie Zuhause, kann man aus unserer Sicht sehr gut damit klar kommen. Abhalten lassen sollte man sich von all den Horrorgeschichten in jedem Fall nicht – Indien mit dem Auto zu bereisen hat aus unserer Sicht am Ende des Tages mehr Vor- als Nachteile.

Lasst es uns gerne in den Kommentaren wissen, wenn ihr ähnliche Erfahrungen gemacht habt oder die Sache völlig anders seht.

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