Asien,  Indien

#14 Indien – Teil III (Kerala & North East)

Dritter und letzter Teil unseres Roadtrips durch den indischen Subkontinent. Nachdem wir euch im letzten Blogeintrag von unseren negativen Camping-Erfahrungen in Indien, dann aber auch von den faszinierenden Schluchten rund um den Savitri Point und die traumhaften Strände im Süden Maharashtras und in Goa berichtet haben, nehmen wir euch dieses Mal nun mit auf unseren Weg bis in den süd-westlichsten Bundesstaat Indiens, Kerala, und von dort bis ganz in den Nord-Osten dieses riesigen Landes bis zur Grenze mit Myanmar.

Von Goa nach Kerala

Schweren Herzens nehmen wir nach knapp 2 Wochen Abschied vom wundervollen Goa. Dieser kleinste Bundesstaat Indiens hat uns wirklich richtig gut gefallen: traumhafte, kilometerlange Strände, fotogene Kolonial-Architektur, entspannte Menschen und zugegebenermaßen auch der Luxus einer gewissen touristischen Infrastruktur (dass ich das jemals sagen würde…). Aber wir hatten uns vorgenommen, Weihnachten in Kerala zu verbringen, einem Bundesstaat über den wir schon sehr viel Gutes gehört, gelesen und gesehen hatten.

Und so machen wir uns am 21. Dezember auf den Weg in Richtung Süden. Zwei Tage á 12 Stunden Autofahren brauchen wir für die knapp 1.000 km von Goa nach Varkala, dem kleinen Küstenort am Arabischen Meer. Dabei folgenden wir der indischen Route 66, dem „National Highway 66“. Ein großer Name für eine Straße, die trotz großer Ausbau-Ankündigung der indischen Regierung, zwischen Goa und Kerala bisher noch eine kleine, maximal zweispurige Straße ist.

Weihnachten in Kerala

Als wir in Varkala ankommen, steuern wir ein kleines Hostel an, von dem wir wissen, dass es Parkmöglichkeiten hat. Normalerweise stehen wir ja lieber in der freien Natur, aber da sich Varkala mehr und mehr als Backpacker-Destination etabliert, sind gute Stellplätze in Strandnähe schwer zu finden. Außerdem wollen wir Weihnachten sowieso gerne mit anderen Menschen verbringen – und da bietet sich ein Hostel einfach an, denn hier kommen an solchen Tagen in der Regel Leute zusammen, die ebenfalls zu weit von Zuhause weg sind, um für das Weihnachtsfest zu ihren Familien und Freunden zu fahren.

Diese Einschätzung bewahrheitet sich auch hier. Das Short Giraffe Hostel ist ausgebucht. Ein Stellplatz für unseren Van im Garten ist jedoch noch frei und da die Managerin selbst Campervan-begeistert ist, dürfen wir ihn in Beschlag nehmen und zugleich die Gemeinschaftsräume des Hostels nutzen – kostenlos. Doch nicht nur deswegen stellt sich das Hostel als absoluter Glücksgriff heraus. Die knapp 15 Leute aus unterschiedlichsten Ecken dieser Welt, die sich hier über die Weihnachtstage eingebucht haben, sind ein richtig cooler Haufen Menschen. Kurz nach unserer Ankunft sitzen wir schon gemeinsam ums Lagerfeuer, trinken Bier, lauschen spannenden Geschichten und dem Gitarrenspiel von Dan, der seine Gitarre aus Australien mitgebracht hat.

Am nächsten Tag erkunden Tina und ich den Strand und die davorliegende Steilklippe. Ganz schön touristisch hier, aber trotzdem schön auf seine Art. Abends kommen wieder alle im Hostel zusammen und verspeisen das Festmal aus frischem Fisch, Garnelen, Humus, Roti und verschiedenen Salaten, das Joe, amerikanisch-israelischer Koch und ebenfalls Gast im Hostel, für die Gruppe vorbereitet hat.

Am Tag drauf ist Heiligabend und wir skypen mit Freunden und Familie. Abends gehen wir zusammen mit den anderen Leuten aus dem Hostel in ein Restaurant an der Steilklippe, in dem eine Open-Mic-Nacht stattfindet. Dan traut sich ans Mikrofon und spielt ein paar Songs. Danach übernimmt der Haus-Gitarrist/Entertainer und bringt den ganzen Laden letztlich wild zum tanzen. Zurück im Hostel spendieren die Besitzer eine Weihnachtstorte. Den Abend lassen wir singend auf der Veranda ausklingen. Genauso wie den nächsten Abend, nachdem wir zuvor ein gemeinsames BBQ an der Klippe mit viel Essen, witzigen Spielen und Wichtelgeschenken genossen haben. Weihnachten in Indien – was für eine Erfahrung!

Einmal quer durchs Land fahren

Am nächsten Morgen stehen wir leicht verkatert auf. Schon erstaunlich, wie ein paar Bier reinhauen können, wenn man es so gar nicht mehr gewohnt ist. 🙂 Aber an Ausschlafen ist jetzt nicht zu denken, denn in 14 Tagen müssen wir auf der komplett gegenüberliegenden Seite Indiens sein. Und Indien ist ja wirklich groß. Knapp 4.000 km müssen wir fahren. Und das nicht auf deutschen Autobahnen, sondern eben auf indischen Straßen – Straßen, die nicht unbedingt dafür bekannt sind, dass man hier schnell und sicher vorankommt (ein etwas ausführlicheres Fazit dazu haben wir in unserem Exkurs: Autofahren in Indien verfasst).

Die ersten knapp 2.500 km bis Kalkutta haben wir aber Glück und sind zumeist auf guten, breiten und nicht allzu vollen Straßen unterwegs. Sieben Tage lang machen wir im Grunde nichts anderes als zu fahren. Wir fahren von früh morgens bis abends. Angehalten wird höchstens für ein schnelles Foto, einen Kaffee und Snacks. Schade eigentlich, denn die Landschaften, die an uns vorbeiziehen, sind abwechslungsreich. Gerne würden wir es langsamer angehen lassen und viele Ecken im Detail erkunden. Vor allem im Bundesstaat Kerala hätten wir gerne noch mehr Zeit verbracht, um die berühmten Backwaters, ein umfangreiches Netz aus Flüssen im Hinterland des Staates, weitere Strände oder einige der Nationalparks zu erkunden. Auch Darjeeling im Norden mit seinen Bergen und berühmten Teeplantagen wäre reizvoll gewesen. Aber man kann ja nicht immer alles haben und das ist auch okay (außerdem sitzt uns der Schock mit dem eingeschmissenen Fenster noch immer ein kleines bisschen in den Knochen und so freuen wir uns auch darauf, bald in Myanmar zu sein – in einem Land, das deutlich weniger dicht besiedelt ist).

Abends suchen wir uns jetzt immer einen Stellplatz an einer Tankstelle. Die sind häufig rund um die Uhr in Betrieb, beleuchtet und werden auch von LKW- und Busfahrern als Schlafplatz genutzt. Außerdem verlieren wir so keine Zeit bei der Suche nach eventuell schöneren Schlafplätzen. Auch Silvester verbringen wir so dieses Jahr an einer Tankstelle. Wir liegen jedoch bereits um 21 Uhr im Bett, da wir am nächsten Tag wieder mit den ersten Sonnenstrahlen gegen 05.30 Uhr losfahren wollen. Böller und Silvesterraketen scheinen in Indien (oder zumindest in der Ecke Indiens, in der wir gerade sind) aber sowieso kein Thema zu sein.

Living Root Bridges

Am Morgen des 01. Januar kommen wir im Bundesstaat Meghalaya an, einem Bundesstaat im Grenzgebiet zu Bangladesch. Hier legen wir einen geplanten Zwischenstopp ein, um uns die „Living root bridges“ anzuschauen – lebende Brücken, die ein Stamm des indigenen Volkes der Khasi in dieser Region konstruiert und wachsen lässt. Lebende Brücken aus überirdischen Wurzeln gibt es auch in anderen Teilen der Welt, aber hier in der Nähe von Cherrapunji gibt es die wohl längsten und imposantesten unseres Planeten. Auch eine doppelstöckige Brücke ist dabei.

Um zu den Brücken zu gelangen, müssen wir zunächst hinunter ins Tal wandern. Auf etwa 3.000 Stufen geht es knapp 800 Höhenmeter tief hinein in den Dschungel (und am Ende natürlich auch wieder hoch). Ein anstrengendes Unterfangen. Aber es ist die Anstrengung wert, denn die Brücken und der Dschungel drumherum sind definitiv sehenswert.

Sowieso gefällt es uns hier im Nord-Osten Indiens sehr gut. Es gibt noch viel unberührte Natur, viele Schluchten und Wasserfälle, die Gegend ist verhältnismäßig dünn besiedelt, es liegt signifikant weniger Müll umher, der Straßenverkehr ist entspannter und auch die Temperaturen sind angenehm kühl.

Der höchste Wasserfall Indiens

Da wir am Startpunkt der Wanderung hin zu den lebenden Brücken keinen guten Schlafplatz finden können, fahren wir wieder ein Stück raus aus dem Tal. Auf Google Maps sehen wir in nur 20 Minuten Entfernung einen Aussichtspunkt zum Nohkalikai Wasserfall, der mit 340 Metern der höchste Wasserfall Indiens ist. Den wollen wir uns natürlich nicht entgehen lassen.

Am Aussichtspunkt ist zwar reger Betrieb, aber im Gegensatz zu so vielen Malen zuvor werden wir hier nicht sofort von Interessierten und Selfie-Jägern umlagert. Stattdessen steht zu unserer Freude der Wasserfall komplett im Mittelpunkt. Auch die Nacht ist sehr schön ruhig. Nach Sonnenuntergang ist außer einer Kuh, die in einem Mülleimer vermeintlich nach Essen sucht, niemand mehr da.

Im Grenzgebiet zu Myanmar

Da es den kompletten nächsten Tag durchregnen soll, entscheiden wir uns dazu, noch eine weitere Nacht zu bleiben und den Tag zu nutzen, um am nächsten Blogeintrag/Video zu arbeiten. Als wir am Folgetag dann wieder aufbrechen, sind es noch vier Tage, bis wir am 08. Januar nach Myanmar einreisen wollen. Vier Tage sollten mehr als genug sein für die letzten 700 km bis zur Grenze. Google Maps veranschlagt für die Strecke jedoch 20 Fahrstunden – und in Wirklichkeit haben wir noch länger gebraucht.

Denn die Straßen, die in Indien ansonsten verhältnismäßig gut sind, werden hier im abgelegenen Nord-Osten nun schlagartig schlechter. Zwar fahren wir auch hier noch viel auf asphaltierten Straßen, jedoch werden die Abschnitte ohne Asphalt und stattdessen mit Schotter, Sand und Lehm länger und länger. Und da es in den letzten Tage so viel geregnet hat, kommen wir hier mit unserem tiefliegenden Frontantrieb-Ducato zum Teil sehr an unsere Grenzen. Zwei Mal ganz besonders.

Das erste Mal tatsächlich inmitten der Stadt Dimapur. Dimapur ist eine der wenigen etwas größeren Städte hier im Nord-Osten. Eigentlich hatten wir gehofft, nach langer Fahrt am frühen Abend nur noch schnell durch die Stadt zu kommen, um uns auf der anderen Seite eine möglichst ruhige Tankstelle für die Nacht zu suchen. Allerdings herrscht viel Verkehr, sodass wir vor und in Dimapur längere Zeit im Stau bzw. stockenden Verkehr stecken. Noch bevor wir also die Stadt verlassen können, wird es dunkel. Die Straße, die aus der Stadt herausführt, wird aktuell erneuert. Der Asphalt wurde über alle Spuren hinweg aufgenommen und so fahren wir auf einem Schotter-/Lehmboden. Plötzlich kommen wir zu einer Stelle, an der der Boden besonders aufgeweicht und etwas abgesunken ist. Ich folge den Autos vor uns und versuche eine Linie vorbei an den tiefen Spurrinnen zu finden. Aber das reicht nicht. Aufgrund unseres Gewichts sinken wir wohl etwas weiter ein, als die Autos vor uns. Und da wir nur wenig Bodenfreiheit haben, liegen wir auf.
Ich hole sofort unsere Auffahrkeile heraus, versuche uns etwas freizubuddeln und die Böcke unterzulegen. Der Lehmboden ist aber unglaublich hart und zugleich rutschig. Schnell wird klar, dass wir hier alleine nicht mehr herauskommen. Drei Männer, die uns vom Straßenrand aus beobachtet haben, kommen rüber und schieben uns an. Aber trotz der Böcke und zusätzlichen Schubkraft bewegt sich das Auto keinen Zentimeter. Ich hole unser Abschleppseil unter dem Bett hervor und bitte den ersten vorbeifahrenden Jeep, uns herauszuziehen. Der nette Fahrer spricht zwar kein Englisch, willigt aber sofort ein, uns auszuhelfen. Beim Versuch uns herauszuziehen drehen aber auch die Räder des Jeeps auf dem glatten Boden durch. Wir bewegen uns wieder kein Stück.
Einer der Männer holt daraufhin einen größeren Truck, der am Straßenrand parkt, zur Hilfe. Der ist letztlich stark genug, um uns herauszuziehen. Sehr schön mitzuerleben, wie hilfsbereit hier alle sofort sind. Aber schon verrückt, dass unser bisher „schlimmstes“ Festfahren nicht irgendwo auf verlassenen Wegen im Outback passiert ist, sondern inmitten einer großen Stadt.

Die Straßen am nächsten Tag sollten insgesamt aber nochmal in deutlich schlechterem Zustand sein. Besonders am späten Nachmittag wird es schlimm. Wir sind nur noch knapp 35 km von der Grenze bzw. 15 km von unserem anvisierten Schlafplatz für die Nacht entfernt, als es plötzlich neblig wird und sich die lehmige Straße, auf der wir gerade unterwegs sind (einzige Straße zur Grenze), in eine völlige Schlammschlacht verwandelt. Da wir uns zudem gerade in einer bergigen Region befinden, geht es rege rauf und runter. Beziehungsweise geht es nur für die Fahrzeuge rauf und runter, die unter diesen Bedingungen jetzt noch die Anstiege hoch schaffen. Und das sind definitiv nicht alle. So blockiert ein LKW beispielsweise eine Engstelle und es geht erst weiter, als er von einem Bagger herausgezogen wird. Doch auch die allermeisten PKW haben Probleme – fast niemand hat hier Allradantrieb. Und so müssen wir immer wieder warten, dass sich Staus an den besonders kritischen Stellen auflösen. Der Untergrund ist super rutschig, aber glücklicherweise tun sich keine tiefen Stellen mehr auf, sodass wir nicht wieder aufsetzen. Und in unserer Fahrtrichtung geht es ab hier zum Glück hauptsächlich bergab. Trotzdem brauchen wir für 5 km knapp 2 Stunden, da der entgegenkommende Verkehr eben immer wieder die Straße blockiert. Und so ist es wieder einmal dunkel, als wir endlich an unserem Schlafplatz ankommen.

Die letzten Tage in Indien & Fazit

Jetzt haben wir noch zwei Tage Zeit, um uns von den Strapazen der fahrintensiven letzten zwei Wochen zu erholen. Wir nutzen die Zeit, um wieder einmal am Blogeintrag/Video zu arbeiten und unseren ereignisreichen Aufenthalt in Indien etwas zu reflektieren. Schon verrückt, was wir in den sechs Wochen hier alles gesehen und erlebt haben. Aber es ist natürlich auch klar, dass wir nur an der Oberfläche dieses riesigen Landes mit seiner vielfältigen und einzigartigen Kultur gekratzt haben.

Als wir angefangen haben, uns über Indien zu informieren, hieß es immer: entweder man liebt Indien oder man hasst es. Wir können uns nun in keine dieser beiden Kategorien einordnen. Es gibt eine ganze Reihe an Dingen, die wir an Indien toll finden. So ist es zum Beispiel landschaftlich wahnsinnig vielfältig: traumhafte Strände an den endlosen Küsten; gewaltige Berge an den Grenzen zu Nepal, Tibet und Pakistan; tiefste Dschungel mit unglaublich artenreicher Tierwelt; Wüsten, Schluchten, Teeplantagen, Reisfelder und vieles mehr. Hinzu kommen die unzähligen Tempel, imposanten religiösen Bauwerke und die farbenfrohen Feste. Was uns dabei besonders imponiert hat, ist das augenscheinlich friedliche Zusammenleben so vieler unterschiedlicher Religionen: man sieht Kirchen neben Moscheen neben hinduistischen Tempeln; man hört den Muezzin zum Gebet rufen, während man auf ein weihnachtlich dekoriertes Wohnhaus schaut . Und der Hinduismus selbst vereint ja bereits unterschiedlichste Religionen in sich.

Auf der anderen Seite wissen wir, dass hier beim Religionsverständnis auch nicht alles Gold ist, was glänzt (vgl. Pakistan-Konflikt, diskriminierendes Einwanderungsgesetz, etc.). Auch die Existenz des Kastensystems, von dem wir persönlich natürlich wenig mitbekommen haben in den sechs Wochen, ist etwas, das wir an Indien nicht mögen. Und dann haben wir, wie im letzten Blogeintrag berichtet, ja unsere Probleme damit, wie hier Neugier ausgelebt wird, gepaart mit dem aus unserer Sicht eigentümlichen Verständnis von Privatsphäre, das wir so in noch keinem anderen Land erlebt haben. Hinzu kommen die dichte Besiedlung und die unglaublichen Berge an Müll, die hier am Straßenrand, in Flüssen, Wäldern und an Stränden rumliegen. Und auch der Smog, den wir hauptsächlich im Norden erlebt haben, ließ uns immer wieder bewusst werden, das wir global gesehen klimapolitisch noch einen sehr langen Weg vor uns haben.

Und auch wenn wir mit Indien also ein zwiespaltiges Verhältnis haben, so wollen wir doch festhalten: Indien ist jedem Fall eine Reise wert! Und wir sind sehr froh, hier Zeit verbracht haben zu können.

Aber jetzt freuen wir uns auch darauf, weiter zu reisen und andere Länder zu erkunden. Als nächstes Myanmar, das bis vor wenigen Jahren noch recht abgeriegelt war. Von unseren Erlebnissen dort berichten wir euch dann im nächsten Blogeintrag. Bis dahin wünschen wir euch wieder einmal viel Spaß beim Anschauen des folgenden Videozusammenschnitts (und wen es interessiert, kann im Anschluss noch unseren Exkurs: Autofahren in Indien lesen).

Liebe Grüße,
Tina & Dirk

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